Freitag früh. Sitze in der Küche und schaue aus dem Fenster. Schalte das Radio an. Spricht ein Mann drin. Redet über Lemgo. Klingt ziemlich monoton. Laut Ansager ist er »der lustigste Mann der Welt«. Na ja.
Fahre meinen Rechner hoch. Aktualisiere meine Podcasts. Da spricht der Typ schon wieder. Nennt sich »Horst Evers«.
Jetzt klingelt es zum Überfluss auch noch an der Tür. Der Postbote bringt ein Buch. Is ne Neuerscheinung. Mit Sperrvermerk. Stammt auch von diesem Evers. Muss ich lesen. Mist. Jetzt soll ich also auch noch arbeiten!
Schalte das Radio wieder aus.
Horst Evers, Träger des Deutschen Kleinkunstpreises 2008 und anderer Würden, hat es nach jahrelangem Tingeln durch Dorfschenken und Lesebühnen geschafft, sich an die Spitze der deutschsprachigen Geschichtenerzähler zu lesen. Seinen Stil beschreibt er in einer seiner Kurztexte selbst: »Kaum mehr Lust auf ganze Sätze. Für Verben zu müde. Objekt? Selten.«
Evers erzählt Geschichten. Sie sind kurz, vielleicht drei Minuten lang, und sie entfalten ihren Charme besonders, wenn der Verfasser sie selbst vorträgt. Dann betritt ein blasser, nahezu kahlköpfiger, tendenziell übergewichtiger Mann im roten Hemd die Bühne. Sein bloßes Erscheinen löst bereits Gelächter bei Stammhörern aus. Er spricht in bedächtiger Art und wirkt dabei so, als schaue er dem eigenen Gedanken bei dessen träger Entwicklung zu. Ihn kennzeichnet Lethargie und Schluffigkeit, und wüsste man es nicht besser, man würde ihn eventuell sogar für einen Trottel halten.
Horst Evers beschreibt sich in seinen Geschichten gern als naive Figur mit Sinn für alltägliche Schicksalsschläge. Häufig kommt sein Fahrrad abhanden, weil er vergisst, wo er es zuvor angekettet hat. Geschieht ihm derartiges bei einem seiner geliebten Kneipenbesuche, kehrt er zur Theke zurück und säuft weiter, da sich bekanntlich die meisten Probleme von selbst lösen. Gern verlegt er auch Kleidungsstücke, die er dann verzweifelt sucht. Im Ergebnis empfindet er sein gesamtes Leben als Suchmaschine und findet so auch den Titel seiner inzwischen dritten Geschichtensammlung in Buchform.
Wer allerdings hinter dem Buchtitel eine Sammlung von Storys rund um die EDV vermutet, der irrt. Evers ist vielmehr Spezialist für das Alltägliche. Er schildert die kleinen Irrungen und Wirrungen des Lebens und dehnt diese gern bis in die letzte Gehirnwindung aus. Im Schneckentempo seiner gedanklichen Entwicklung liegen der Reiz und auch der Witz des Everschen Humors. Er versteht es, kleine absurde Begebenheiten und Beobachtungen aus dem Alltag geschickt zu pointieren und zu humorvollen Anekdoten oder Liedtexten zu verarbeiten. Dabei gelingt es ihm, im Alltäglichen das Phantastische zu entdecken und dem Leser ein Schmunzeln zu entlocken, weil er sich wieder erkennt. Das ist die unnachahmliche Stärke des Autors und Kabarettisten aus Berlin.
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